«Irgendwohin, wo ich ein normales Leben leben kann»
Besmi hat einen langen Weg hinter sich. Er flüchtete von Afghanistan über Pakistan in den Iran. Dort lebte er an die 1,5 Jahre als Sans-Papier in der ständigen Angst, von der Polizei festgenommen und abgeschoben zu werden. Mit letzterem hätte er umgehen können, aber er fürchtete die Gewalt, der er bei einer Abschiebung ausgeliefert gewesen wäre. Er wollte weiter in ein Land ohne Krieg, mit Meinungsfreiheit. Irgendwohin, wo er ein normales Leben leben kann. Zusammen mit anderen Menschen gelang ihm die Flucht in die Türkei, später nach Griechenland und von dort nach Italien – von Flüchtlingslager zu Flüchtlingslager.
Angekommen und Deutsch gelernt
Besmi kaufte sich ein Zugticket von Mailand nach Zürich, doch in Chiasso hiess es für ihn Endstation. Vorläufig zumindest, denn für die nächsten Tage war er in einer Auffangstation vor Ort untergebracht. Anschliessend wurde ein Asylzentrum bei Bern sein vorläufiges Zuhause. Dort hatte er Zeit im Überfluss und er nützte sie, um Deutsch zu lernen. Täglich brachte er sich an die drei bis vier Stunden über YouTube die Grundkenntnisse der deutschen Sprache bei. Er notierte sich Worte, die er in Gesprächen nicht verstand und suchte im Internet nach deren Bedeutung oder fragte die Mitarbeitenden vom Zentrum um Hilfe. Weil er so interessiert und motiviert war, wurde ihm sehr gerne geholfen.
Ausbildungsplatz gefunden und Lehre abgeschlossen
Fünf Monate später, im November 2015, konnte Besmi die bis Juli 2016 dauernde Berufsvorbereitungsschule in Bern besuchen und eine einwöchige Schnupperlehre bei AS Stuber in Utzenstorf machen. Von seinem Interesse, seiner Motivation und der positiven Bewertung seines Betreuers Kurt König beeindruckt, bot ihm Othmar Stuber eine Lehrstelle als Elektroinstallateur EFZ an. Besmi nahm seine Chance dankend an, zog in eine Wohngemeinschaft nach Utzenstorf und begann – um ja gut vorbereitet zu sein – schon einen Monat vor dem offiziellen Ausbildungsbeginn mit der Lehre.
Besmi, dessen Deutschkenntnisse zu dieser Zeit noch auf Anfängerniveau waren, hatte Schwierigkeiten, mit den anderen Lernenden in der Berufsschule mitzuhalten. Auch seine schulischen Vorkenntnisse aus Afghanistan entsprachen nicht den Anforderungen, die an Lernende für den Beruf Elektroinstallateur in der Schweiz gestellt werden. Besmi blieb nichts anderes übrig, als die Lehre abzubrechen. Aber aufgeben kam für ihn nicht infrage. Er machte eine einjährige Vorlehre und entschied sich für eine Lehre als Montage-Elektriker EFZ. Im Juni 2020 hat er die Lehrabschlussprüfung erfolgreich bestanden.
Ein normales Leben leben und schätzen
Seit seinem Lehrabschluss arbeitet Besmi als Montage-Elektriker EFZ auf verschiedenen Baustellen von AS Stuber und der Sergio Lo Stanco AG. Aktuell verantwortet er die korrekte Installation der Haustechnik in zwei Einfamilienhäusern in Arch: Rohbau, Stark- und Schwachstrominstallationen, Fertigmontage und Funktionskontrolle. Besmi arbeitet genau und gewissenhaft, denn die Zufriedenheit der Kunden und Kundinnen sowie die seines Arbeitgebers sind ihm wichtig. Ob er eines Tages noch die Zusatzlehre zum Elektroinstallateur EFZ machen wird, bleibt abzuwarten. Er lässt die Entscheidung offen.
Vor Kurzem hat Besmi mit einem Kollegen aus der Wohngemeinschaft eine eigene WG gegründet. Er kann ohne staatliche Unterstützung leben, seine Deutschkenntnisse sind mittlerweile wirklich gut und er hat Freundschaften geschlossen. Er schätzt sein Leben in der Schweiz und ist vielen Menschen sehr dankbar, dass sie ihm eine Chance gegeben haben. Vor allem aber schätzt er, dass er hier sorglos von A nach B gehen kann, ohne eine Landmine auszulösen. Dadurch kann er jetzt auch endlich Fussball spielen, denn das war in Afghanistan wegen der Landminen viel zu gefährlich. Abgesehen von seiner Mutter und den Geschwistern, die in Zentralafghanistan leben, vermisst Besmi nichts aus seiner alten Heimat. «Es gibt nichts zu vermissen», meint er, denn «die Städte und Orte sind zerstört, die Strassen vermint und die Angst war mein ständiger Begleiter.»